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[Rezension] Rasha Khayat- Weil wir längst wo anders sind

[Rezension] Rasha Khayat- Weil wir längst wo anders sind

Von Hamburg nach Jeddah auf der Suche nach der verlorenen Schwester

Basil macht sich auf den Weg nach Jeddah in Saudi Arabien, weil seine Schwester bald heiraten wird. Was sich erst anhört nach einer typischen arabischen Familiengeschichte, geht jedoch viel tiefer. Denn Layla und Basil sind in Deutschland aufgewachsen. Als Kinder, kaum dass sie in die Schule gingen, kamen Sie mit dem arabischen Vater, welcher Arzt war und der deutschen Mutter, die Krankenschwester war, nach Deutschland.
Hier werden sie komplett Deutsch erzogen, so sehr dass Basil nicht einmal mehr Arabisch spricht und sich nur an Wortfetzen erinnert. Sie wachsen absolut liberal auf, fahren nicht einmal auf Besuch nach Saudi Arabien. Der Kontakt zu diesem Land, wurde komplett abgebrochen. Layla macht eine Ausbildung als Buchhändlerin und ist schon Mitte Zwanzig, als ihr plötzlich alles zuviel wird. Sie haut aus der WG mit dem Bruder und ihrem Ex-Freund ab und meldet sich erst ein Jahr später. Sie wäre in Saudi Arabien und würde heiraten, in einem Land was sie das letzte Mal gesehen hatte, als sie ein kleines Kind war und einen Mann, den sie gar nicht richtig kennt. Basil macht sich auf den Weg nach Jeddah um herauszufinden, was in die Schwester gefahren ist. Die große Frage, die immer im Hintergrund steht ist: Warum?

Warum entscheidet sich eine junge Frau für ein ganz anderes Leben?

Das Buch ist ein Mosaik der Gefühle und Eindrücke. Wir begleiten Basil auf seiner Entdeckungsreise nach Saudi Arabien und nehmen aus seiner Sicht wahr, wie fremd alles ist. Fremd, aber auch beeindruckend. Das Buch lebt auch von den Rückblenden, wo Basil sich an die gemeinsame Kindheit erinnert und zeigt, wie es sich für ein Kind anfühlt, plötzlich die Heimat zu verlieren. Besonders in diesen kindlichen Episoden bekommt man nochmal einen ganz unvoreingenommen Blick präsentiert. Dem älteren Basil, ist die Sache nicht ganz geheuer. Er sucht nach der Antwort, warum seine Schwester dieses Leben in Saudi Arabien bevorzugen möchte, obwohl sie doch alle Freiheiten in Deutschland hatte. Zwischen den Zeilen, kann man ganz viele dieser Gründe finden. An manchen Stellen konnte man förmlich die herzliche Atmosphäre spüren und den duftenden Kardamom-Kaffee riechen. Dies liegt auch an der fantastischen bildreichen Sprache, die Rasha Khayat verwendet. Sie streut auch immer wieder arabische Ausdrücke oder Satzstücke ein, die jedoch in der deutschen Umschrift sind und einen schönen Eindruck vom Klang der Sprache vermitteln und das Buch sehr authentisch gestalten.

Wir erleben in der Geschichte die Gegensätze des Landes und sehen Prunk und Luxus. Wir beobachten, dass die Gesellschaft privat wesentlich liberaler ist, als in der Öffentlichkeit und Layla auf kaum etwas verzichten muss. Gemessen am Reichtum Saudi Arabiens, kommt einem das deutsche Leben sogar bettelarm vor. Fest steht auf jeden Fall: Layla ist kein Mädchen, dass auf den Kopf gefallen ist. Tatsächlich scheint sie in Jeddah, glücklicher und freier, als sie es je zuvor war.

“Ihre Gesten ähneln denen meiner Cousinen und Tanten, sie lacht laut und von innen heraus. […] Fast mühelos wirkt sie hier, wie eine stärkere, mutigere Version ihrer selbst.” (Rasha Khayat- Weil wir längst wo anders sind: S.43-44)

Identität, Vergangenheit, Zukunft

Es scheint an manchen Stellen sogar, dass Basil etwas neidisch ist, auf die Schwester, die eine so gute Verbindung zu ihrer Heimat und Kultur hat, während er sich mit allem schwer tut und sich auch dieses Gefühl der Verwurzelung und Identifikation, beim ihm nicht einstellen will. Während Basil sich komplett von seiner Vergangenheit distanziert hat, liegt für Layla alles darin, was sie immer vermisst hat.

“Im Nachhinein betrachtet hatten wir keine Ahnung. Wir wussten nicht, dass wir nie nach Hause zurückkommen würden, dass unsere Eltern ein anderes, ein neues Zuhause für uns vorbereiteten und wir nicht nur in die Sommerferien fuhren” (Rasha Khayat- Weil wir längst wo anders sind: S.79)

Während man am Anfang noch denkt, Basil und seine Mutter würden einfach nicht hinter der Entscheidung von Layla stehen, merkt man mit der Zeit, dass es noch einen ganz anderen Grund gibt, warum sich Basil und seine Mutter so sehr von Saudi Arabien distanzieren, was aber überhaupt nichts mit diesem Land zu tun hat. Es ist fast so, als würde ein Teil der Familie krampfhaft versuchen, die Vergangenheit auszublenden, während Layla eine beherzte Offenheit an den Tag legt, die sogar dazu führt, dass sich Teile der Familie wieder vereinen. Mit Liebe und Offenheit versucht sie die Wunden der Vergangenheit zu heilen und somit wohl auch sich Selbst.

Das Buch ist einer beeindruckenden Sprache geschrieben, die die selbe Liebe und Leichtigkeit vermittelt, die Layla wohl fühlen muss. Für mich ist es das Buch-Highlight 2016, denn das Letzte Buch dieses Jahres, war tatsächlich das Beste. Das liegt daran, dass mich diese Geschichte in ihrer Wärme und Herzlichkeit tief berührt hat.

Zusammenfassung

*Weil wir längst woanders sind

Titel: Weil wir längst woanders sind

Genre: Belletristik

Autorin:  Rasha Khayat

Herausgeber: Dumont

Erschienen: 08/2016

Besprochene Ausgabe: Gebundenes Buch,  ISBN: 978-3-579-08534-0

Seitenzahl: 189

Fazit: Eine wunderschöne Geschichte über die Fremde in der Heimat und die Heimat in der Fremde

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