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Leute- Lest mal wieder Lyrik

Leute- Lest mal wieder Lyrik

Lyrik ist Literatur und Kunst

In der Lyrik verschwimmen für mich die Grenzen von Literatur und Kunst. Und obwohl (oder gerade weil) der Beruf des Dichters nicht unbedingt zu den einkommensstarken Berufen zählt, findet man hier richtig viele Menschen, die ihr Herzblut in das Dichten stecken und für die es mehr eine tatsächliche Berufung scheint.

Leider hat die Lyrik einen schlechten Stand in Deutschland. Wer liest heute überhaupt noch Gedichte? Heute kann man ja schon froh sein, wenn die Menschen überhaupt ein Buch in die Hand nehmen.

Es gibt mehr Menschen, die Gedichte schreiben, als lesen

Da ich selbst auch Gedichte schreibe, mache ich mir natürlich viele Gedanken darüber. Viele Gedankenanstöße bekam ich beim Lesen des Buches “Lyrik schreiben und veröffentlichen” von Martina Weber. Dort heißt es, dass es mehr Leute gibt, welche Lyrik schreiben, als Leute die Lyrik lesen. Ist das so? Umso mehr ich darüber nachdenke, umso mehr glaube ich, dass das stimmt. Das Schreiben von Lyrik ist ein Bedürfnis was bei mir tief aus der Seele kommt. Das Lesen eher weniger. Ich kann überleben, ohne Lyrik zu lesen, aber nicht ohne sie zu schreiben.

Ich lese natürlich trotzdem viel Lyrik. Gedichte können aufregend und anregend sein. Je nach Stimmung lese ich gerne unterschiedliche Arten von Gedichten. So für zwischendurch, lese ich gerne englische Poesie. Wenn ich in Nostalgie schwelge, dann gerne Gedichte aus der Romantik, wie Novalis. Oder wenn ich richtig Lust darauf habe, etwas Anregendes zu lesen, dann greife ich zu moderner Lyrik, wie Kate Tempest, zum Expressionismus oder zu der eher fordernden deutschen Lyrik. Gerne wage ich auch Experimente mich auf etwas Neues einzulassen.

Lyrik ist nicht eingestaubt, sondern lebendig und spannend

Aus der Lektüre von Gedichten, kann ich oft viel mehr nehmen, als aus dem Lesen einer Geschichte.

Lyrik hallt in meinem Kopf und meiner Seele wieder. Lyrik macht lebendig und erweckt den eigenen Tatendrang zu Schreiben und zu Leben.

Oft lese ich einen Gedichtband nicht am Stück weg, aber dafür greife ich immer wieder zum Buch. Lese immer wieder die selben Gedichte und entdecke immer wieder neue Facetten. Das macht die Lyrik unheimlich spannend für mich.

Was ist mit der modernen deutschen Lyrik los?

Ich stöbere auf Amazon nach Titeln und hangele mich von einem Verweis zum Nächsten. Was auffällt: Die deutsche Lyrik scheint nicht sehr stark besprochen zu werden. Liest das überhaupt jemand? Dann dort, eine Rezension. Eine 1-Sterne Bewertung für einen jungen ambitionierten Poeten. Ein einziger Stern, nicht mehr und nicht weniger. Ein heftiger Verriss. Ich bin neugierig- wie schlecht kann es schon sein? Ich lese Gedichte aus diesem Buch und mir wird klar- hier spricht wohl nicht die Literaturkritik sondern die Eifersucht.

Oder es liegt doch ganz einfach am Geschmack? Die Gedichte in diesem Buch wären zu gewollt, zu modern. Und überhaupt. Ich grinse. Und das Ganze ist gemessen an was? Und was bedeutet überhaupt dieses “zu gewollt”? Der Autor hat sich zu viel Mühe gegeben? Sein Gedicht ist konstruiert- so wie fast jedes andere Gedicht auch?

Ich recherchiere weiter. Der Autor setzt sich für die Wahrnehmung der Lyrik in Deutschland ein und organisiert ständig Austausch. Und bei so vielen Kontakten und Austausch hat sich noch niemand dazu entschlossen sein Buch zu rezensieren? Ich meine: Entschuldigung. Wie konnte das passieren? Ist das diese Neidkultur? Warum unterstützt man sich nicht gegenseitig? Ich meine damit nicht, dass man Loblieder auf Kollegen singen sollte, dessen Werke man liest. Man kann das ganze natürlich trotzdem differenziert und vielstimmig betrachten. Aber eine einzige 1-Sterne Rezension? Come on.

Eine Krise durch veraltete hohe Ansprüche?

Hin und wieder findet man auch hoch philosophische Diskussionen zum Thema Lyrik und darüber, an was sie gemessen wird.

Die moderne Lyrik ist frei- künstlerisch unabhängig jeglicher Begrenzungen. Dachte ich. Das scheint aber bei manchen Menschen noch nicht angekommen zu sein. Und noch immer findet man manchmal Stimmen wie: „Es reimt sich gar nicht richtig!”.

An was wird die Dichtkunst gemessen? An Reimschemen und der Beachtung von stilistischen Mitteln? Ich dachte die Zeit, wo man sich penibel an solche Vorgaben halten musste, ist schon seit über 100 Jahren vorbei.

Wird also Lyrik an bekannten anderen Lyrikern gemessen? Dann ist das Ganze doch ziemlich eintönig, wenn wir die Leistung von dem Zukünftigen anhand dessen bewerten, was bereits etabliert ist. Dann gibt es doch keine Luft für Weiterentwicklung. Und geht es nicht genau darum? Die Poesie ist für mich in der Literatur das spannendste Feld, weil sie so unglaublich vielseitig und innovativ ist.

Lyrik hat einen sehr persönlichen Zugang

Ist es bei all den verschiedenen Themen, Ausdrucksformen und Vorlieben nicht ein sehr individuelles Thema an was Lyrik bewertet wird? Ist es dann nicht ein ganz persönlicher Zugang, den jeder Einzelne hat? Ich denke dass genau das es ist, was uns vom Lesen von Gedichten abhält. Es wird alles verkompliziert. Bereits in der Schule wird uns die Lust auf das freie Lesen genommen. Dabei ist Lyrik überhaupt nicht schwer oder kompliziert- im Gegenteil.

Für mich ist es das Einfachste am Lesen überhaupt, weil man einfach seine Seele von den Worten tragen lassen kann.

Da scheint man im englischen Bereich bereits viel weiter zu sein und auch die Wahrnehmung von Poesie im öffentlichen Bereich ist scheinbar eine Andere. Da brauch man keine Erlaubnis um Dichter zu sein und kann auch einfach schreiben, was aus dem Herzen kommt, ohne viele Gedanken an Reime und Stil zu verschwenden. In der neuen Instagram-Poesie am englischen Markt geht das alles.

Kein Richtig und kein Falsch in der Kunst

Hier scheint man irgendwie festzustecken in diesen alten Denkmustern von Eliten, Stilistik und Lyrikern, denen man nacheifern sollte. Doch die heutige Generation wird keinen neuen Celan hervorbringen. Genauso wenig wie dessen Generation einen neuen Schiller hervorgebracht hätte. Denn jede Generation hat ihre ganz eigene Geschichte, ihren eigenen Zugang, ihre eigenen Lebensrealitäten. Denn dabei wird schnell vergessen, dass sich die Zeiten ändern, dass Lyrik einem ständigen Wandel unterworfen ist und dass es kein Richtig und Falsch in der Kunst gibt.

Und irgendwie ist es doch schade, dass gerade in Deutschland, die Dichtkunst derzeit einen solch schlechten Stand hat. Denn was ist geworden aus dem Land der Dichter und Denker? Ich glaube dass wir uns in unserem eigenen hohen Anspruch verloren haben.

Es muss nicht immer alles perfekt sein.

—-> Lest doch mal wieder Lyrik.

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